e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 955 )


Rechtsextremismus

Collage - Horst Mahler

Die 68er als Keimzelle rechtsextremer Chef-Ideologen?! - 1.Teil

Autor :  Florian Wachter
E-mail: fwachter@e-politik.de

Grüne Minister wurden in der ´neuen` Radikalismus-Debatte durchleuchtet. Jetzt gilt es, sich mit jenen 68ern zu befassen, die einst linksradikale Flugblätter warfen und heute rechtsextrem schwadronieren - wie Horst Mahler. Florian Wachter fordert auf.


Der einstige APO-Kämpfer und heutige Soziologie-Professor Bernd Rabehl, die ehemaligen SDS-Mitglieder Günter Maschke, Reinhold Oberlercher, Tilman Fichter oder der RAF-Anwalt Horst Mahler. Die illustre Reihe derjenigen, die in den sechziger Jahren zum Sturz der Republik von links aufriefen und dies nun von rechts versuchen, wächst beständig. Die Renegaten der linken Revolte sind nicht Mitläufer, sondern Chefideologen des Rechtsextremismus geworden.

Wandel mit Kontinuitäten

Der Wandel von linken Revoluzzern zu bekennenden Faschisten ist nur auf den ersten Blick außergewöhnlich. Beispiel: Horst Mahler.
Eine aufregende Biografie: Er war Anwalt der Außerparlamentarischen Opposition (APO) Ende der 60er Jahre, Mitbegründer des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und Mitstreiter der Rote Armee Fraktion (RAF). Er saß als Linksterrorist im Gefängnis, wurde von Otto Schily verteidigt und gelangte dank Gerhard Schröder 1988 wieder an seine Anwaltslizenz. Heute ist er Mitglied der NPD und vertritt die Partei demnächst vor dem Bundesverfassungsgericht.
An seiner Person läßt sich erklären, dass im Wandel mehr Kontinuitäten als Brüche vorhanden sind. Das "Objekt" Mahler erklärt die These, wonach der Links- und der Rechtsextremismus einander so nahe sind, dass ein kleiner Schritt genügt, um im jeweils anderen Lager zu landen. Feldforschung am mutierten Linksterroristen.

Bei allen zu beweisenden Kontinuitäten, irgendwo muss es aber doch einen Schnitt gegeben haben. Wo aber findet man das Indiz für den ideologischen Bruch? Bei Mahler in der Distanzierung zum Nest der eigenen politischen Sozialisation - den 68ern. Schwupps. Schon erklingt die volkstümelnde Gesinnung:
"Die 68er haben Tradition und Religion als weltbildprägende Mächte [...] zerstört und damit unser Volk der Mündigkeit einen Schritt näher gebracht. Erst jetzt ist der Boden für die Vollendung der Aufklärung, die zugleich ihre Überwindung sein wird, bereitet. Wir erleben dieses Resultat der Kulturrevolution von 1968 jetzt als die Hölle [...]. Als kulturloses Volk leben wir in einer zweiten Steinzeit. Es erfordert einige Anstrengung des Denkens, das geistige Vakuum [...] als etwas Positives und in diesem Sinne als eine geschichtliche Leistung der 68er zu erkennen."
(Zitat H. Mahler aus "Ex nihilo veritas fit - oder das Vermächtnis der 68er.", 1998)

Die Reinkarnation Hegels

Was Mahler hier schreibt, zieht sich wie ein roter Faden durch seine Denke und die seiner 68er Kameraden. Hilfreich steht ihnen dabei Friedrich Hegel zur Seite. Besonders Mahler. Die Hegelsche Dialektik erlebt in ihm ihre völkische Reinkarnation. Es gilt, die selbstbewußte freie Nation zu erreichen. Im Rückgriff auf Hegel formuliert Mahler seine erträumte Polis: eine sittliche Nation, die sich nur im Geiste einer Rasse verwirklichen kann. Völkische Konstruktion als Vergangenheitsbewältigung. Für Mahler und Seinesgleichen Schlusspunkt in der Diskussion um die 60er und 70er Jahre: Der Boden des Terrorismus und der RAF war die Heimatlosigkeit, deshalb sei diese Revolution gescheitert. Auch so kann man sich von seiner linksradikalen Biografie trennen ... Aber trennt er sich wirklich?
Er tut es eigentlich nicht. Mahler knüpft de facto an sein theoretisches RAF-Traktat über die Stadtguerilla in den Metropolen an, das damals unter dem Tarntitel "Neue Straßenverkehrsordnung" publiziert wurde. Was einst im Kampf gegen den Staat vor seinem geistigen Auge mitschwang, hat ihm heute komplett die Sicht vernebelt: der Heimatmief des Revoluzzers. Damals die Stadtguerilla, heute die Volksrasse. Das wahre Kollektiv als nationale Erweckung.

Mahler bastelt sich seinen neuen Hegel. Mahler als Idealist. Vermeintlich intellektuell will er sein. Tatsächlich ereifert er sich an dumpfer Deutschtümelei und offenem Antisemitismus. Mit verquastem Geschwafel und philosophisch verpacktem Judenhass macht sich Mahler zum Vorkämpfer der "selbstbewußten" deutschen Nation.
Zwei Beispiele:

  • "Mir wird unheimlich bei dem Gedanken, in einer Umgebung leben zu müssen, die von Menschen geprägt wird, die nicht meine Muttersprache sprechen, die ganz anders denken und fühlen und dementsprechend auch ganz anders reagieren, als die mir vertrauten Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin."
    ("Flugschrift an die Deutschen, die es noch sein wollen, über die Lage ihres Volkes", 1998)

  • "Die von gewissen jüdischen Kreisen erfundene Afterreligion (sic!), deren kultisches Zentrum der Holocaust und mit ihm die vermeintliche Deutsche Kollektivschuld sind, wird nicht den gewünschten Erfolg haben. Im Gegenteil: Sie wird Ausgangspunkt einer religiösen Besinnung der Deutschen auf ihre geistigen Wurzeln sein. So sehen wir die List der Vernunft am Werke: In diesem geistigen Ringen wird Jahwe untergehen und der Deutschen Philosophie herausgedachte Absolute Geist wird das Zepter übernehmen und sich in einer selbstbewußten - also freiheitlichen - Volksgemeinschaft der Deutschen verwirklichen."
    ("Offenen Brief an Michel Friedmann", Mai 2000)
  • Holocaust war göttlicher Wille

    Mahler rechtfertigt den Holocaust mit der Begründung, er habe aus den Heiligen Büchern der Juden gelernt, dass der Judaismus den Völkermord zu einer gottbefohlenen heiligen Handlung erklärt, weil "Jahwe die physische Vernichtung als Strafe für den Ungehorsam der Stämme Israels angekündigt hatte."
    Mahler leugnet den Judenmord nicht. Er hält in für eine historische Notwendigkeit, weil er glaubt, "dass alles, was andere Völker den Juden in einer zweitausendjährigen Geschichte an Leid und Verfolgung zugefügt haben, nur die Vollstreckung dieses offenbar göttlichen Willens ist."
    Seine "Thesen über Juden und Deutschland als geistige Notwehr des deutschen Volkes" (Juli 1999) gipfeln schließlich in der Erkenntnis, "die Überwindung des jüdischen Geistes ist eine Notwendigkeit. Sie vollzieht sich durch den Fortschritt des Geistes im Bewußtsein der Freiheit, wie er sich [...] in Hegels Philosophie als Selbsterkenntnis des absoluten Geistes ankündigt."

    Und so schließt sich wieder der Kreis zum Radikalen Mahler von damals. Mit dem Unterschied, dass er gegen die Verfassung dieser Republik heute jene Aspekte des Marxismus-Leninismus nutzt, die man damals gerne verschwieg. Auch rechts ist Karl Marx nutzbar - als Antisemit.
    Und so zitiert Mahler Marx ähnlich penetrant wie Hegel. Er ruft ihn gar als Zeugen in der "Judenfrage" an, dass die Juden bis heute das amerikanische Weltkapital und die Weltverschwörung gegen die Völker verkörpern würden.
    "Der den Deutschen von Jürgen Habermas medial verordnete Verfassungspatriotismus ist der Anachronismus schlechthin, indem das Grundgesetz eine dem deutschen Volk von den Siegermächten aufgezwungene undeutsche Ordnung ist, deren Regelungskraft sich längst erschöpft hat. Das Volk hat zu den Institutionen und Repräsentanten dieser Ordnung schon längst kein Zutrauen mehr. Es fehlt ihm nur noch der Begriff der germanischen Volksherrschaft, um diese Un-Ordnung abzuschütteln."
    ("Die Aufgabe, die uns gestellt ist", September 1999)

    Während die meisten Straßenkämpfer von einst ihre sozialistischen Ambitionen aufgaben oder in die bürgerliche Gesellschaft trugen, definieren die geläuterten 68er ihre Volkspropaganda mittels der verkannten Chancen von damals. ´Völkisch` zu sein hat dabei nicht zwingend etwas mit Abgrenzung tun. Im Gegenteil.
    Mahler, Rabehl, Maschke, Oberlercher & Co entwickeln konsequent weiter, was ihnen im Rückblick auf die Protestbewegung der 60er und 70er zu kurz kam: Das Nationalrevolutionäre im antiautoritären Denken.


    Mehr dazu im zweiten Teil des Beitrags "Die 68er als Keimzelle rechtsextremer Chef-Ideologen?!".


    Foto: Collage von e-politik.de





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