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( Artikel-Nr: 1875 )Ochsentour, die 18.: Mehr Glück als Strategie Autor : Alexander Wriedt Ganz gleich wer die Wahl gewinnt, einer überzeugenden Kampagne werden die
Parteien ihren Erfolg nicht zu verdanken haben. Von Alexander Wriedt. Wie auch immer die Wahl ausgehen wird, eines steht jetzt schon fest: Der
Sieger wird mehr Glück gehabt haben, als in jeder anderen Bundestagswahl zuvor.
Die Zickzack-Bewegungen der Umfragewerte täuschen darüber hinweg, dass der
Wahlkampf zäh und langweilig war. Trotz Sondersendungen, Sonderseiten und
Kandidatenduellen in Fernsehen und Zeitung waren die Wähler so lange
unentschlossen und ratlos wie selten zuvor.
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Und plötzlich fügen sich ein paar
Zufälle zusammen, deren Aufeinandertreffen hinterher zur Strategie erklärt
werden wird: Der Kanzler packt an, wenn Not am Mann ist, er setzt Reformen durch,
wie die Hartz-Kommission beweisen soll, und er kämpft als aufrechter
Sozialdemokrat gegen einen Krieg, den viele Menschen in Deutschland ablehnen.
Edmund Stoiber hingegen verblasst, seine schlechte Rhetorik wird nicht mehr
als ehrlich empfunden, sondern als stümperhaft. Sein Macher-Image tritt
hinter dem Fluthelfer Schröder zurück, denn das "Erfolgsmodell Bayern" lässt sich
kaum auf symbolträchtige Einzelhandlungen herunterbrechen.
Trotz des
Trendwechsels bleiben die Umfragewerte für die Union hoch. Und Stoiber will nicht
mit ansehen, wie ihm der Sieg in letzter Minute durch die Finger rinnt. Also
bläst er zum letzten großen Angriff und schüttelt ein Thema aus dem Ärmel, das
bisher aus dem Wahlkampf herausgehalten wurde: die Zuwanderung. Aus gutem
Grund. Unabhängig von moralischen Bedenken, das Thema könnte Ausländern in
Deutschland Schaden zufügen, könnte es die eigenen Anhänger spalten.
Liberal-Konservative aus den großen Städten außerhalb Bayerns etwa, die trotz ihrer
konservativen Gesinnung einen CSUler nur zögernd zum Bundeskanzler haben wollen,
könnten ebenso verprellt werden, wie Kirchen oder liberale Parteianhänger, die
eher wegen Peter Müller als wegen Günther Beckstein Union wählen. Und
schließlich die Arbeitgeber, die immer wieder vor einem Abriegeln der Grenzen
warnen.
Kommt der alte Stoiber wieder, der rechte Parteien, wie etwa die
Republikaner ausgrenzte, indem er ihre Thesen übernahm? Die Zeit bis zur Wahl ist zu
kurz, als dass Stoiber Stimmen mobilisieren könnte, für die man sich eigentlich
schämen sollte. Doch vielleicht bewahrt ihn gerade dies vor einer Niederlage:
denn die "Gute-Menschen-Maschinerie", die in solchen Fällen anspringt, kommt
ebenfalls nicht mehr rechtzeitig in Gang. Und spätestens seit den
Antisemitismus-Vorwürfen gegen Jürgen Möllemann sollte man sich vor solch einer Lawine und
deren Auswirkungen auf den 22. dieses Monats fürchten.