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e-politik.de - Artikel
( Artikel-Nr: 2193 )Alltag in Berlin Autor : Werner Schäfer Rund 20.000 Flüchtlinge leben in Berlin. Viele kamen aus dem ehemaligen Jugoslawien und dem Libanon. Sie hoffen auf Aufenthaltsbefugnisse oder Asyl, fürchten sich vor einer Abschiebung, und wünschen sich hier eine Zukunft. Von Werner Schäfer Sein Büro sieht aus wie eine ganz gewöhnliche Amtsstube: Bücher und Akten in hohen Regalen, ein Computer, ein voll beladener Schreibtisch. Auf dem Fensterbrett eine Flasche Sprudel, eine Kaffemaschine, ein paar Gläser und Tassen. Hinter dem Fenster ist ein schattiger Hof, es ist ruhig und angenehm kühl. Alles irgendwie undramatisch. Hier also ist sie zu suchen, die menschliche Seite des Flüchtlingsdaseins - die bedrückende, aufrüttelnde Geschichte?
Im Behördendschungel Menschliche Schicksale Weiterführende Links:
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Erst muss der Flüchtling zur Ausländerbehörde, die ihn registriert; frisch registriert kann er dann zum Sozialamt, das ihm unter Umständen eine Unterkunft und ein wenig Geld zuweist. Zwei Jahre muss er in einem Heim wohnen, danach erlaubt das Amt vielleicht den Umzug in eine Mietwohnung. Um zu Arbeiten braucht der Flüchtling eine Arbeitserlaubnis, die das Arbeitsamt aber nur dann erteilt, wenn für einen Arbeitsplatz kein Deutscher und kein EU-Ausländer zur Verfügung steht. Die Stelle bekommt er jedoch meistens sowieso nicht, denn ein Großteil der Berliner Flüchtlinge kommt aus Bürgerkriegsregionen - erhält also lediglich eine Duldung, die jeweils nur für drei bis sechs Monate gilt. Und wer stellt schon gerne einen Mitarbeiter ein, der womöglich in ein paar Monaten abgeschoben wird? Will der Geflüchtete dem entgehen und nach Jahren der Duldung endlich eine permanente Aufenthaltserlaubnis bekommen, muss er nachweisen, dass er für sich selbst sorgen kann. Dazu benötigt er einen Arbeitsplatz.
Und so entpuppt sich langsam die menschliche Seite der Flüchtlingsgeschichte. Ein täglicher Kampf mit den Behörden, wie ihn Kafka kaum besser hätte erfinden können. Das Land Berlin dürfen Flüchtlinge nicht verlassen: Zu dumm, dass manche von ihnen mit der S-Bahn durch Brandenburg fahren müssen, um von ihrem Wohnheim zum sie betreuenden Ausländeramt zu kommen. Wer mehrmals in Brandenburg erwischt wird, kann dafür abgeschoben werden. Die Zuständigkeit eines Sozialamtes für einzelne Flüchtlinge richtet sich nicht etwa nach deren Wohnort, sondern nach ihrem Geburtsdatum. Es kann also sein, dass man für den Behördengang die halbe Stadt durchqueren muss. Die Fahrtkosten werden dafür nicht erstattet. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kostet das 4,20 Euro – kein Klacks, bei 40 Euro Taschengeld im Monat. Für ihre Einkäufe erhalten viele Flüchtlinge statt Bargeld Chipkarten oder Gutscheine, die aber auch nicht überall eingelöst werden können.
Wie so vieles, ist auch die zumutbare Größe einer Flüchtlingsunterkunft normiert: auf sechs Quadratmeter pro Person. Hinzu kommen Gemeinschaftküchen und -bäder. Viele Flüchtlinge sind in ehemaligen Kasernen untergebracht. Kinder gehen wenigstens tagsüber in die Schule, den Erwachsenen bleibt nichts anderes übrig, als nach Arbeit zu suchen, die sie kaum finden können; und das auch nur, wenn sie nicht gerade mit Behördengängen beschäftigt sind. Medizinische Betreuung für Flüchtlinge beschränkt sich auf das Nötigste; dass viele von Kriegserlebnissen oder Floter traumatisiert sind, verstehen die Behörden nicht immer als besondere „Härte“. Und bei Abschiebungen kommt es schon mal vor, dass die Polizei Judengliche und Kinder, die sich an ihre Heimatländer kaum erinnern können, direkt aus dem Klassenzimmer holt und ins nächste Flugzeug nach Bosnien oder in den Kosovo setzt.
Berliner Flüchtlingsrat: http://www.fluechtlingsrat-berlin.de
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