e-politik.de - Artikel  ( Artikel-Nr: 677 )


Neue Rechte an den Hochschulen

Freitod eines Politikwissenschaftlers

Autor :  Florian Wachter
E-mail: fwachter@e-politik.de

Am 26. Juni 2000 hätte sich der ehemalige Professor der FH Münster Werner Pfeifenberger in Österreich wegen neonazistischer Aussagen verantworten müssen. Dem Prozess entzog er sich durch Selbstmord. Florian Wachter über den "Fall Pfeifenberger".


Es war eine kurze Meldung der österreichischen Nachrichtenagentur APA vom 22. Mai 2000:
Der 58-jährige Politologe Werner Pfeifenberger habe Selbstmord verübt, nachdem er erfahren habe, dass in Österreich gegen ihn wegen des Verdachts der Verbreitung von NS-Gedankengut verhandelt werden sollte. Beim sogenannten Wiederbetätigungsprozess hätten dem Politikprofessor bis zu 5 Jahren Haft gedroht.
Grund genug, den "Fall Pfeifenberger" genauer zu beleuchten.

Vorwurf: Nazidiktion

Dem gebürtigen Österreicher Pfeifenberger, der auch einen Wohnsitz in Salzburg hatte, war vorgeworfen worden, in einem Artikel für das "Jahrbuch für politische Erneuerung 1995" der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) den Nationalsozialismus verharmlost zu haben. Den Aufsatz "Internationalismus gegen Nationalismus, eine unendliche Todfeindschaft" veröffentlichte Pfeifenberger während seiner Tätigkeit als Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Münster. Dort unterrichtete er seit 1972.

Der Wiener Journalist Karl Pfeifer, Überlebender des Holocaust, rezensierte den Beitrag Pfeifenbergers Anfang Februar 1995 für die "Gemeinde", dem offiziellen Organ der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Er warf dem Politikwissenschaftler vor, "die alte Nazi-Mär von der jüdischen Weltverschwörung langatmig" (Pfeifer) aufzuwärmen. Mit Zitaten aus dem Artikel belegte der Journalist den antisemitischen Grundtenor Pfeifenbergers. Ein Beispiel:
"Dieser Krieg brach nicht im September 1939 aus und endete nicht im Mai 1945. Er ist viel älter und wird als allgegenwärtiger Nachkriegskrieg bis zum heutigen Tage ausgetragen, mit anderen Mitteln, auf anderer Ebene, aber nicht weniger haßerfüllt (...). Die Haßtiraden der Verleumdungskampagne gegen Kurt Waldheim sollten noch einmal jedermann deutlich vor Augen führen, daß dieser Weltkrieg noch lange nicht ausgestanden ist."
(Pfeifenberger)

Nachdem Pfeifer in seiner Rezension von "Nazidiktion" sprach, versuchte Pfeifenberger in Wien, mehrere Unterlassungsklagen gegen den Journalisten zu erwirken. In allen Verfahren unterlag der Politologe vor den Richtern des Oberlandesgerichts. Diese bestätigten ausdrücklich die Vorwürfe Pfeifers.

Erst Entlassung, dann Forschungsauftrag

Das Bildungsministerium in Nordrhein-Westfalen reagierte im September 1997 mit einer fristlosen Kündigung Pfeifenbergers aus dem Lehrbetrieb der FH Münster. Nach mehreren Einsprüchen Pfeifenbergers vor Arbeitsgerichten beendete im August 1999 ein Vergleich den juristischen Streit zwischen dem Bildungsministerium und dem Politikwissenschaftler. Pfeifenberger sollte bis zu seiner vorzeitigen Pensionierung an der Fachhochschule Bielefeld ´lediglich´ Forschungsarbeiten erbringen dürfen. Seitdem protestierten in Bielefeld Kirchen, Politiker, Gewerkschaften und Studenten gegen Pfeifenberger.

Tatsächlich mutet es seltsam an, dass ein Politologe, dem ein österreichisches Gericht die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes nachweist, in Deutschland weiterhin auf Staatskosten Forschungsaufträge erteilt bekam ... trotz fristloser Kündigung.
Von einer Abkehr seiner Ansichten konnte schließlich auch nach seiner Entlassung keine Rede sein:
So untersucht Pfeifenberger zusammen mit prominenten Rechtsextremen wie Jean-Marie Le Pen und Gerhard Frey im Buch "Jörg Haider – Patriot im Zwielicht", inwieweit Haider für die extreme Rechte als Bündnispartner in Frage kommt. Das Buch erschien im Herbst 1997 im Neue Stimme Verlag der NPD.
Im Februar 1998 stand Pfeifenberger dem DVU-Blatt "Deutsche Wochenzeitung" als Gesprächspartner zur Verfügung.
Beide Veröffentlichungen erschienen, bevor der Politologe eine Forschungserlaubnis in Bielefeld bekam, aber nachdem man ihm an der FH Münster fristlos gekündigt hatte.

Daneben war Pfeifenberger weiter für die Redaktion der rechtsextremen österreichischen Monatszeitschrift "Aula" (aufgelistet im Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus) und dem im ultrarechten Sektenmillieu angesiedelten "Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis" (VPM) tätig.

Kein unbeschriebenes Blatt

Offen bleibt auch, warum die Vorgesetzten Pfeifenbergers überhaupt erst 1997 aktiv wurden. Pfeifenberger war kein unbeschriebenes Blatt.
Über 25 Jahre protestierten Studierende der Uni und FH Münster gegen Pfeifenberger und informierten regelmäßig über Lehrinhalte des umstrittenen Professors. Die Reaktionen des NRW-Bildungsministeriums darauf offenbaren ein eigenartiges Verständnis von Fürsorgepflicht. Nachdem Pfeifenberger seit Mitte der 70er Jahre das Apartheidsregime in Südafrika öffentlich unterstützte, erhielt der Politologe mit Kenntnis und finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsministeriums von 1983 bis 1985 eine Gastprofessur an der südafrikanischen Elite-Universität Stellenbosch. Die UN-Sanktionen gegen Südafrika untersagten zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich eine wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Land.
Warum die damals zuständige Ministerin Anke Brunn (SPD) nicht aktiv wurde, bleibt unklar, wirft aber gleichzeitig eine wichtige Frage an alle Bildungs- und Kultusminister auf: Bis zu welchem Ausmaß darf die häufig zitierte Freiheit von Forschung und Lehre eigentlich die Arbeit von Professoren decken?

Die Sensibilität im Umgang mit zweifelhaften Lehraussagen und gelegentlich auch ein intensiverer Blick auf die Inhalte der Lehrveranstaltungen von Professoren, gerade aus der Politikwissenschaft, sind zwingend notwendig. Denn der "Fall Pfeifenberger" ist vermutlich kein Einzelfall, er ist höchstens ein besonders offensichtliches und tragisches Beispiel zugleich.
Das Bewusstsein über rechte Tendenzen in akademischen Fachdisziplinen gehört ganz oben auf die Tagesordnung hochschul- und bildungspolitischer Debatten.





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