Berthold Meyer, 1981 Wissenschaftler an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), widmete dem Thema ein ganzes Buch: "Atomwaffenfreie Zonen und Vertrauensbildung in Europa". Genau wie viele hundert andere Wissenschaftler und Intellektuelle. Die Angst vor der Bombe, die Angst vor einem Atomkrieg war allgegenwärtig, manifestierte sich in Magazinen, Feuilletons und Büchern.
Wie ein Schlag ins Gesicht
Gerade zu einer Zeit, als die Eiszeit im Kalten Krieg endgültig einer Phase der sich erwärmenden Beziehungen gewichen schien, traf die Nachricht nicht nur Militärstrategen und Politiker wie ein Schlag ins Gesicht:
Russland stationiert hunderte neuer SS-20 Raketen. so. Diese Mittelstreckenwaffen sind mit atomaren Sprengköpfen bestückt und bedrohen gezielt die Länder Westeuropas, den designierten Schauplatz einer nuklearen Auseinandersetzung zwischen den Supermächten.
Kurz zuvor noch waren alle Weichen auf Entspannungspolitik gestellt. Nachdem die Welt während der Kuba-Krise 1962 buchstäblich um Haaresbreite einem Atomkrieg entgangen war, näherten sich USA und UdSSR langsam einander an. Die Politik trat als gleichbereichtigter Partner neben konsequente Umsetzung militärischer Abschreckungs- und Verteidigungsszenarien. Ergebnisse waren Dokumente, wie das Atomteststopabkommen 1963 und - bis heute eines der wichtigsten Vertragswerke der internationalen Politik - der Atomwaffensperrvertrag.
Nach siebenjährigen Verhandlungen schließlich unterzeichneten die Supermächte das SALT II Abkommen. Es schrieb nicht nur ein Gleichgewicht fest, es war auch ein Einstieg in die qualitative Rüstungskontrolle. Zudem wurde die Leistungsfähigkeit der Waffensysteme bewertet.
Der Doppelbeschluß
Vor diesem Hintergrund löste die Stationierung der SS-20-Raketen vor allem politisch hohe Wellen aus. Als Gegenmaßnahme fassen die Verteidigungsminister auf der Dezember-Tagung der NATO 1979 den NATO-Doppelbeschluß. So genannt, weil er eine zweigleisige Strategie im Umgang mit der Stationierung vorsah:
Die Allianz wollte verhandeln und gleichzeitig Vorbereitungen treffen, eigene Raketen und Marschflugkörper in Europa zu stationieren. Dabei ging es um 572 amerikanische Mittelstreckenraketen (Pershing II und Cruise Missiles), die in der Bundesrepublik, Großbritannien und Italien ab 1983 stationiert werden sollten. So wäre das "eurostrategische Gleichgewicht" gesichert. Zugleich wurden der sowjetischen Regierung Verhandlungen über eine Begrenzung oder gänzliche Abschaffung der Mittelstreckenwaffen angeboten. Deadline war das Jahr 1983.
Die politische Umsetzung dieses Beschlusses löste in einzelnen europäischen Staaten heftige Protestwellen aus. In Deutschland gingen Millionen von Menschen auf die Straße. Die Friedensbewegung - nach dem zweiten Weltkrieg entstanden, und in den 60er und 70er Jahren kaum wahrgenommen - erlebte eine einzigartige Wiedergeburt. Auslöser war auch die Befürchtung, es könnte aufgrund des Beschlusses zu einem neuerlichen Wettrüsten kommen.
Journalisten, Politologen, Gewerkschaften, Kirchen, Verbände, die Friedensbewegung konnte auf ein großes Maß an Rückhalt und Zustimmung aus allen gesellschaftlichen Schichten zurückgreifen. Das Volk war präsent.
Lesen Sie im zweiten Teil des Artikels mehr zu den Konsequenzen des NATO-Doppelbeschlusses in den Reihen der deutschen Regierung.