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e-politik.de - Home  Brennpunkt  Internationales   Das transatlantische Verhältnis


Wenn die Perspektive Geschichte verändert...

Autor :  Christophe Rude
E-mail: redaktion@e-politik.de
Artikel vom: 04.06.2001

Nürnberg, Tokio, Den Haag, Arusha: Vier Tribunale zur Verurteilung von Kriegsverbrechern - und eine kontinuierliche Entwicklung. So sehen es die meisten Staaten, nicht aber die USA. Christophe Rude über beide Perspektiven.


Es ist weithin unstrittig, dass die Grausamkeiten und Kriegsverbrechen der beiden Weltkriege bewirkt haben, dass die neugegründeten Vereinten Nationen sich für einen Internationalen Strafgerichtshof engagierten. Gleich 1946 befasste sich die Generalversammlung mit dieser Frage und beauftragte die Völkerrechtskommission, ein internationales Strafrecht zu entwickeln. Die Kommission erstellte in den Jahren 1951 und 1953 zwei Berichte mit entsprechenden Entwürfen. Kurz darauf schlummerte das Projekt Internationaler Strafgerichtshof jedoch ein, um erst mit dem Fall der Berliner Mauer wieder aus seiner über 35 Jahre andauernden diplomatisch bedingten Kältestarre erweckt zu werden.

Kontinuität einer Geisteshaltung

Die Wurzeln des ICC reichen jedoch noch weiter zurück. Bereits 1870 tauchte der Gedanke einer internationalen Strafgerichtsbarkeit in der internationalen Diplomatie auf und kehrte seitdem regelmäßig in der einschlägigen Fachliteratur wieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden, auf allerdings nicht allzu effektive Weise, die Kriegsverbrecher der Achsenmächte von Kriegsverbrechertribunalen in Nürnberg und Tokio wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gerichtet.
Wertvollstes Resultat dieser Prozesse waren die Nürnberger Prinzipien, die alsbald völkerrechtliche Anerkennung und 1948 durch die UN-Völkermordkonvention weitere inhaltliche Unterfütterung erfuhren. Nach Ansicht der dem ICC wohlgesonnenen Staaten (den like-minded States) und zahlreicher NGO's stellen die Nürnberger Prinzipien nicht nur die Grundlage der ad hoc Kriegsverbrechertribunale für Ex-Jugoslawien und Rwanda, sondern auch die des Statuts von Rom dar. Diese Sichtweise legitimiert den ICC über eine Kontinuität von Werten und Prinzipien, kurz, einer Geisteshaltung, die sich ganz entschieden gegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wendet.

Der ICC als völkerrechtliches Novum

Die USA hingegen argumentieren auf einer ganz anderen Ebene. Sie hinterfragen nicht diese Prinzipien, sondern den ICC als Institution und weigern sich, eine Entwicklung zu sehen, die von Nürnberg ausging und mit der Abstimmung in Rom ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Die Argumentation der USA beruht auf dem Standpunkt, dass die Staatengemeinschaft mit dem ICC völkerrechtliches Neuland betreten würde. Der Wunsch vieler Staaten nach extra-territorialer Strafgerichtsbarkeit existiert zwar auch in den Augen der Amerikaner, doch sei ein diesbezüglicher Konsens niemals erreicht worden und werde auch in Zukunft schwerlich erreicht. Die Ursache liegt in dem hierfür notwendigen hohen Maß an zwischenstaatlicher Kooperation, wie auch der mangelnden Bereitschaft vieler Staaten, ein hohes Risiko bezüglich des Entstehens von Unstimmigkeiten mit anderen Staaten einzugehen. Professor Jeremy Rabkin belegte dieses Behauptung vor dem US-Senatsausschuss für Äußere Angelegenheiten mit der Unfähig- bzw. Unwilligkeit der sonst so integrationsbegeisterten EU, einen effektiven europäischen Strafgerichtshof zu errichten.

Das Problem der Souveränität

Die Argumentation der Vereinigten Staaten läuft darauf hinaus, dass jeder Staat, der dem ICC beitritt, einen Teil seiner Souveränität abgeben muss. Dazu ist er zwar berechtigt, dennoch widerstrebt es der Natur der Nationalstaaten im Allgemeinen - und manchen von ihnen im Besonderen. So versuchen die USA darzulegen, dass keines der bisherigen Tribunale auf der freiwilligen Abgabe von Souveränitätsrechten beruhte. Nach ihrer Niederlage im Zweiten Weltkrieg waren Deutschland und Japan besetzt und wurden von den Siegermächten verwaltet. Diese waren folglich Träger der nationalstaatlichen Souveränität und so könne niemals davon die Rede sein, Japan oder das Deutsche Reich hätten ihre souveränen Rechte auf strafrechtliche Verfolgung ihrer Bürger freiwillig abgetreten. Mit den Tribunalen von Den Haag (Jugoslawien) und Arusha (Rwanda) ist es nach Ansicht der USA nicht anders gewesen. Die dortigen Bürgerkriegswirren hätten bewirkt, dass man in beiden Fällen nicht mehr von Souveränität sprechen könne; zudem stellt die mangelnde Effizienz der vier Tribunale in den Augen der Amerikaner eine weitere Rechtfertigung ihrer Ablehnung dar.
Diese Interpretation geschichtlicher Fakten durch die USA ist sehr eigenwillig und ihre Ansicht zum "Verschwinden" nationalstaatlicher Souveränität im Bürgerkriegsfall völkerrechtlich fragwürdig. Das wirft die Frage auf, wie haltbar diese Argumentation dann ist, wenn sie über die politische Diskussion hinaus einer juristischen Überprüfung standhalten muss.


   


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