Von der Zigarette zum Euro - Kontinuität made in USA
Autor : Christophe Rude E-mail: redaktion@e-politik.de Artikel vom: 06.04.2001
Der Euro ist mehr als ein Symbol. Er ist ein Problem
- ein logistisches nämlich. Christophe Rude erklärt wieso und vergleicht mit der Einführung der D-Mark.
"Würde man alle 2.500 Milliarden Euro-Scheine aufeinander legen, wäre
der Turm 275 km groß. Vergleichen Sie das einmal mit dem Mount Everest."
Franz Sokol, Bundesbank-Oberamtsrat von der Landeszentralbank liebt bildhafte Vergleiche. Sie finden reichlich Anwendung in seinen
Vorträgen vor Gewerbetreibenden des Münchner Umlandes. Die nämlich sind derzeit in heller Aufregung, denn
dem Einzelhandel kommt die Aufgabe zu, die Banken bei der
Einführung des Euro zu unterstützen. Die Banken werden mit ihren
Geldautomaten die Scheine verteilen, die Geschäfte das Hartgeld,
das, würde man es auf einmal transportieren wollen, "eine 120 km lange
Schlange von Lastwagen" zu seiner Verteilung erforderte.
Damit es am 1. Januar 2002 - ab dann hat der Euro Gültigkeit -, nicht zu
Engpässen kommt, haben sich die Euro-Staaten auf eine Übergangszeit geeinigt.
In Deutschland beträgt sie zwei Monate: erst ab dem 28. Februar 2002 gilt die
D-Mark nicht mehr. Umgetauscht werden kann sie ab diesem Zeitpunkt in der Regel
nur mehr in den Zentralbanken. Von hier aus wird ab dem 1. September auch die
neue europäische Währung an die Privatbanken verteilt. Diese melden ihren Bedarf an und werden von Werttransport-Unternehmen beliefert.
Doch grau ist alle Theorie, denn trotz dieser Vorkehrungen rechnen die
Zentralbanken damit, dass die wenigsten Banken die Vorlaufzeit tatsächlich
nützen, um sich im "Frontloading-Verfahren" ausreichend Euros zu
sichern. Ganz zu schweigen von den kleinen Geschäften. Wer seinen Bäcker also
ärgern möchte, der zahle am 2. Januar 2002 seine vier Kornspitz und den Liter
Frühstücksmilch mit einem 500-Mark-Schein, woraufhin der Bäcker ihm in Euro
herausgeben muss.
Das jähe Ende der Währung
"Zigarette"
In diesem viermonatigen Vorlauf unterscheidet sich die Euroeinführung
gewaltig von der Einführung der D-Mark im Jahr 1948. Damals war die neue
Währung eine geheime Militäraktion der US-Armee. In hunderten von
Militärkonvois wurde die D-Mark in einer einzigen Nacht von den Kasernen zu den
Verteilerstellen für Lebensmittelmarken gebracht und am 20.Juni 1948 erstmals
ausgegeben. In derselben Nacht holten die Händler ihre gebunkerten Waren aus
den Kellern und am nächsten Morgen waren die Regale voll und das D-Mark-Wunder
eingetreten. Sechzig Mark erhielt jeder Deutsche in den westlichen Zonen. Und
die Zeit der stabilen Schwarzmarktwährung Zigarette war somit abgelaufen.
Die
Auswirkungen der Währungsreform, die gemeinsam mit der neuen Währung kam,
waren jedoch keineswegs so wunderbar. Als Ludwig Erhard für den 20. Juni die
aus der Not des Krieges heraus notwendig gewordene Zwangsbewirtschaftung und
Preiskontrolle aufhob, war der entscheidende Schritt zur Marktwirtschaft zwar
getan, aber es entstand viel soziale Ungerechtigkeit. Wer Land oder Immobilien
besaß, dem ging es in der Folgezeit gut, die Masse der Bevölkerung hatte unter
der Preissteigerung von etwa 17% zu leiden. Die Situation hatte sich umgekehrt.
Vor der Reform gab es wenig Waren und viel zu viel Geld und jetzt war in vielen
Haushalten nicht einmal Geld für das Nötigste vorhanden, während die
Warenhäuser überquollen.
12 Mrd. Kosten für Banken und Wirtschaft
Bei der Einführung des Euro handelt es sich natürlich nicht um eine
Währungsreform, dennoch wird sich die neue Währung auf das Konsumverhalten der
Bürger auswirken. Bis man sich an den Wert der kleineren Zahlen gewöhnt hat,
werden einige Wochen vergehen, und erst dann wird sich das Käuferverhalten wohl
wieder normalisieren. Doch die vermutlich gesteigerte Konsumfreudigkeit der Bürger wird
die Kosten von je sechs Milliarden Mark für Banken und Einzelhandel nur teilweise auffangen. Die
Banken rechnen mit Kosten von etwa 140.000 Mark pro Geschäftsstelle, Supermärkte rechnen
beispielsweise mit bis zu 50% längeren Wartezeiten an den Kassen, da Kunden und
Personal die neuen Münzen und Scheine nicht gewohnt sind und der
Zahlungsvorgang einfach länger dauert. Die hierdurch entstehenden Kosten und
Umsatzeinbußen, versucht die IHK mit Hilfe der Banken durch Schulungen zu dämpfen. Die Landeszentralbank Bayern gibt ab 17. Dezember Starter-Kits mit Münzen
und Scheinen an Haushalte und Handel heraus, mit deren Hilfe sich Kassenpersonal
an den Euro gewöhnen kann.
Die Qual der Schwellenpreiswahl
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Umschreibung der Preise. Bislang
werden die Waren in DM und in Euro ausgezeichnet, allerdings sind die Preise auf
die Mark zugeschnitten - die entsprechenden Europreise sind krumm und ungebräuchlich. Spätestens
wenn ab 1. März nur mehr der Euro gilt, müssen Schwellenpreise wie 1,99 DM in
Euro übertragen sein. Und zwar nicht in die fix errechneten
1,02 Euro, sondern in neue Schwellenpreis, also 0,99 oder 1,09 Euro.
Berechnungen der IHK haben ergeben, dass die meisten Preise nach unten
korrigiert werden müssten, wenn der Händler immer den nächstliegenden
Schwellenpreis wählen sollte. Das könnte vor allem für Geschäfte, die viele Güter zu kleinen Preisen anbieten, starke Umsatzeinbußen bedeuten, deshalb muss hier sehr genau kalkuliert werden.
Das Vertrauen der Regierungen und Handelsverbände in den Markt als
regulierende Instanz ist sehr groß. Am Rande sei außerdem bemerkt, dass man sich
um die Zuverlässigkeit der nunmehr dritten deutschen Währung seit der
Reichsmark in so fern Sorge zu machen braucht, als sie zumindest teilweise an alte Traditionen anknüpft. Schon die Zigaretten und die
D-Mark kamen aus den Vereinigten Staaten - wie auch die Bezeichnung der
"Euro-Pfennige", die "cent" heißen werden. Der leicht zu verunsichernde Verbraucher wird von den Schwierigkeiten der Umstellung ohnehin wenig
mitbekommen. Für ihn zählt allein, dass seine Bank in der Nacht zum ersten
Januar den Geldautomaten mit Euronoten lädt. Damit er die vier Kornspitz
vielleicht doch mit einem Zehner zahlen kann - wenn er seinen Bäcker mag.
Weiterführende Links:
Link zur Bundesbank
Infoseite über den Euro
Leserkommentar
von
ella m.
am 30.05.2002
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teilweise...
... wurde das volk schon gefragt. es gab zahlreiche organisationen und kleinere parteien, die sich um eine volksabstimmung bemüht haben, nur dafür mussten sie unterschriften sammeln, und dass wurde ihnen von den mächtigen parteien, etc., die etwas dagegen hatten, so massiv erschwert, dass es unmöglich war, das zu ende zu führen. diese "pro-euro"-leute hatten schon ihre gründe dafür. von wegen demokratie...!!!
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